texte

Die Künstlerin Petra Naumann beginnt in einem Text über ihre Arbeiten mit dem Satz,

„Ich teile und teile, bis Materie zerfällt“.
Und der Text endet mit dem Satz,
“Mein Werk beginnt“.

Diese Auffassung entspricht dem Prinzip des Zerfallens und Werdens in der Natur, also in einem Vorgang, wie für uns „Naturgestaltung“ erkennbar abläuft. Denn seit dem Urknall, wenn es ihn denn gegeben hat, formt sich im gesamten Universum Materie zu einer unglaublichen Vielfalt an Strukturen, Formen, Farben und auch Leben.

Wenn Petra Naumann also an den Beginn ihrer künstlerischen Arbeit den bewussten Zerfallsprozess des gebundenen Materials setzt, um danach mit der Arbeit zu beginnen, so ist darin ein analoger Vorgang zu erkennen, der dem Prinzip des permanenten Zerfallens und Werdens der Natur entspricht.

Der Mensch, insbesondere der Künstler, setzt also dem für uns so unerreichbaren, unbegreifbaren und in seiner Fülle unfassbaren Naturgestaltungsprozess seine bescheidenen schöpferischen Fähigkeiten entgegen. Aber gerade in diesem kreativen Tun manifestiert sich das Menschsein und wir begreifen das Prinzip der Natur.

Betrachten wir mit dieser Einstellung das Werk von Petra Naumann, so wird zunächst die individuelle künstlerische Leistung erkennbar, im zweiten Blick erkennen wir uns aber auch selbst. Petra Naumann schafft mit ihren Werken kein Abbild der Natur, sondern sie benutzt das Gestaltungsprinzip der Natur als Arbeitsprozess. Ihre Kunstwerke sind greifbare Realität. Sie zeigt das Material, die Struktur und den inneren Aufbau ihrer Arbeiten. Sie entrückt und transformiert ihre Arbeiten nicht in einen irrationalen Bereich. Sie entmaterialisiert nicht. Sie lässt den Betrachter aber an ihrem Werkprozess teilhaben, indem sie ihn nachvollziehbar aufzeigt. Sie selbst sagt, sie schafft mit ihrem Werk eine neue Wirklichkeit. In dieser neuen Wirklichkeit liegt jedoch das Geheimnis ihrer eigenen schöpferischen Kraft und Phantasie verborgen.


„Tafelbilder“
Ausstellung Petra Naumann und Claudia Schöner vom 12.01. – 26.01.2003
Kunstkreis Jura, Neumarkt

Liebe Besucherinnen und Besucher !

Auch ich möchte Sie recht herzlich an dieser Stelle begrüßen.
Ich danke allen Beteiligten für die Einladung, hier das Wort an Sie richten zu dürfen, und habe die Funktion Ihnen die Arbeiten der mir gut bekannten Künstlerinnen Petra Naumann und Claudia Schöner näher zu bringen.

Wir befinden uns hier an einem passenden Ausstellungsort: In den Festsälender Residenz Neumarkt, der ehemaligen „Krümperstallung“. Ursprünglich wurden diese Räume innerhalb der prächtigen Renaissanceanlage aus dem 16. Jahrhundert zur Durchführung von Festveranstaltungen erbaut und genutzt.

Der untere Raum, das Erdgeschoß, ehemals Bankettsaal, präsentiert sich heute als multifunktionaler Strukturmix mit Mobiliar wie Garderobenständern und Thekenschränken und allerhand Materialien: alten Holzbalken, Beton, abgehängten Decken, Verblendungen u.s.w. Im oberen Raum, ursprünglich dem Tanzsaal, sind neben der pfiffigen raumverbessernden Infrastrukur wie Lampen und deren optisch formschönen Zuleitungen, vor allem die denkmalpflegerisch vorgegebenen Fensternischen, Türstürze und Reste von historischen Wandmalereien herauszustreichen.

Oben wie unten muß man natürlich die weißen Wände erwähnen, auf die es ja wohl in unserem Falle in erster Linie ankommt. Ihnen gilt großes Augenmerk, denn sie werden zu Bildträgern, zu Unterlagen auf denen sich Bilder befinden. In ihrer scheinbaren Neutralität laden sie dazu ein, Kunst zu präsentieren, verleihen aber auch jeder Steckdose Bedeutung.

Und in dieses Szenario tritt jetzt die Entschlossenheit zweier engagierter Künstlerinnen hier eine Ausstellung zu zeigen, die in diesem Umfeld Eigenes zur Geltung bringt ! Petra Naumann und Claudia Schöner haben sich gefunden, weil sie ihr gegenseitiges Werk gut kennen und weil sie um das Interesse der jeweils anderen wissen, sich mit dem Thema „Tafel“ auseinander zu setzten. Gleich hier müssen wir uns über den Doppelsinn des Wortes klar werden: „Tafel“ kann ja einerseits einen Tisch bezeichnen, besonders wenn er mit Speisen und Speiseutensilien gedeckt ist und damit zur gemeinsamen Nahrungsaufnahme und Kommunikation einlädt. Andererseits aber steht das Wort „Tafel“ auch schlicht für Brett oder Fläche, für „Bildträger“ in der Malerei, nach der sogar eine ganze Gattung, die „Tafelmalerei“, benannt ist. Diese Kunstrichtung kannte man zwar bereits in der Antike, vor allem aber später, im Mittelalter, war man soweit, Malerei losgelöst von Gebäudeteilen, also unabhängig von Wänden auf denen sie bislang hauptsächlich als Fresken zu finden waren, anzufertigen. Als sogenannte „Antependien“, Frontverkleidungen von Altartischen, fanden Bilder als Dekoration wie auch als Bedeutungsträger ihre Verwendung. Seit dem elften Jahrhundert jedenfalls, erkannte man, daß es Vorteile birgt, bewegliche Untergründe für Kunstwerke zu verwenden. Holzplatten schienen den Damaligen wohl der beste Ersatz für gemauerte Wände zu sein. Ab dem 14. Jahrhundert wurde es üblich Bildtafeln als selbstständige Ausdrucksformen anzufertigen und im 15. Jahrhundert kam man in Italien darauf, das Holz durch Leinwand zu ersetzen. Damit wurde man noch flexibler, was Transport und Verwendung von Bildern anging.

Petra Naumann und Claudia Schöner kommen nun in diesem noch sehr frischen Jahr 2003 mit ihrer Ausstellung „Tafelbilder“ daher, und zeigen uns wie man am Beginn des 21. Jahrhunderts mit dieser tradierten Form der Kunst umgehen kann. Gleichzeitig bereiten sie uns den Tisch zur Kommunikation, vor allem auch im Obergeschoß, wie wir noch feststellen werden. Im letzten Jahrhundert, im 20., hatten Künstlerkollegen die Idee, die sie umgebenden ideellen und auch ganz handfesten materiellen Grenzen soweit es ihnen möglich war, nach außen zu schieben. Man nannte sie Avantgardisten und die Idee war ihnen eher Bedürfnis im Anbetracht von verstaubten Gepflogenheiten, wie sie seit Generationen in den Akademien, praktiziert wurden. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, für die die Erfahrung zweier Weltkriege in unseren mitteleuropäischen Breiten eine tiefe Zäsur bedeutete, sah nun in der Kunst , wie auch in allen anderen Feldern der Gesellschaft, ein trotziges Aufbäumen gegen alles bisher Dagewesene und das Experiment wurde zum Credo. Seitdem ist fast alles erlaubt, bzw. alles Denkbare wird ausprobiert.

Als Kinder ihrer Zeit gehen auch Claudia Schöner und Petra Naumann ans Werk, wenn sie sich spielerisch experimentell ihre Themen und ihre Materialien erarbeiten. Was bei Petra Naumann, vor allem auch hier oben, so leicht dahingeworfen auf ihren Bildtafeln erscheint, ist das Ergebnis langer Jahre des „Ringens um das wahre Bild“.
Essenzen in Formen, Farben und Zeichen, die ihr über die Auseinandersetzung mit ihren Themen und ihren Stilmitteln ans Herz gewachsen sind und die sie wie eine zweite Natur stets bei sich trägt, gestalten sich wie Puzzleteile: oft ähnlich und doch immer neu. Und nicht selten nehmen sie noch einmal einen anderen, eigenen Bezug auf zu dem Ausstellungsort in dem sie gezeigt werden. Ganz besonders trifft das zu auf die speziell für diese Schau entstandene große Wandarbeit „Tafelbilder“, die zwangsläufig in einem Dialog steht zu den restaurierten Freskenfragmenten an den Wänden. Was durch die originalen Farben und die Restaurierungsspuren der Malereien auf den Wänden – an manchen Stellen als Jagdszenen erkennbar – einen malerischen Gesamteindruck ergibt , wird in den zu einem Ganzen kombinierten Leinwandpaneelen von Petra Naumann aufgenommen und mit ihrer Handschrift versehen. Nicht minder nimmt das schmale Wandfries, diesmal „Tafel-Bilder“ (zwei Worte mit Bindestrich und großgeschrieben) betitelt, am Kopfende des Saales Kontakt auf mit seinem Umfeld, vor allem aber auch mit der so prominent im Raum stehenden Installation von Claudia Schöner. Um nicht mit den Äußerungen im wahrsten Sinne, ihrer Kollegin zu kollidieren, fügt sie ruhige, monochrom anmutende Flächen ein, die letztlich ein starkes Nebeneinander beider Arbeiten zulassen. Und denken Sie weiter an die „Ovale“ oder das anthrazitfarbene Wandstück, alle aus der Serie „Fundus“ hervorgegangen und im Erdgeschoß ausgestellt. In ihrer Struktur und Farbgebung können diese zwischen den Fußbodenplatten und den Sichtbetonstreben angesiedelt werden, auch wenn der für Petra Naumanns dreidimensionales Werk so typische Werkstoff Pappe hier zum Einsatz kommt. Als ob auf Leinwand gebannt, wirken sie durch den besonderen Blick der Künstlerin, als seien sie für diese Wand gemacht. Vorne links im unteren Raum hängt übrigens noch eine spannende Variante der „Maßwerk“-Serie von Petra Naumann. Nicht ungewöhnlich, daß es sich hier wieder einmal um ein überbreites Format handelt, liebt die Künstlerin doch Bildbänder, die sie entsprechend ihres Empfindens häufig durch „Anstückeln“ den örtlichen Gegebenheiten anpasst. Hier sind es Fotos von in Rottönen strahlenden durchbrochenen Teilen, die man nur mit Hintergrund- wissen der schon erwähnten Objektkunstreihe des Titels „Fundus“ zuordnen kann. Farblich zweifelsohne einen ganz eigenen Akzent setzend, stellt gerade diese Arbeit, eine fast schon designorientierte, zeitgenössische Form von „Tafeln“ als Bildträger vor. Die Betrachtung von Petra Naumanns Arbeiten, möchte ich mit den drei Collagen beenden, die ebenfalls „Tafelbilder“ betitelt sind. Indem sie jeweils „Tafel“ sind und auch immer eine „Tafel“ abbilden, also mit beiden uns mittlerweile geläufigen Auffassungen des Wortes zu tun haben, waren sie die Auslöser dafür, daß Claudia Schöner an ihre Kollegin herantrat, um diese Gemeinschaftsausstellung vorzuschlagen. Diese Grenzgänger zwischen Malerei und Zeichnung aus einer umfangreicheren Reihe, die einzigen in der gesamten Ausstellung die den gemeinhin angelegten Kriterien eines Bildes standhalten, weil sie sich im Rahmen präsentieren und einfach am Haken an die Wand gehängt werden können, sind erfreulich locker und leicht in ihrer Farbgebung. Auf den durch Schneiden, Reissen, und Kleben zu ihrer letzten Form gekommenen Papier- und Leinwandteilen, sehen wir so konkret, wie bei keiner weiteren hier gezeigten Arbeit Naumanns, Bestecke und Gedecke, so daß scheinbar nur noch wir als Betrachter in die Bilder treten müssen, um eine gesellige Runde zu komplettieren. Hier kann getafelt werden !

Widmen wir uns jetzt aber dem oberen Raum. Wo Petra Naumann, wie bereits durch Vorangegangenes belegt, trotz beschreiten ungewöhnlicher Pfade, eindeutig die Malerin ist, haben wir es bei Claudia Schöner eher mit einer Objektkünstlerin zu tun. Am Ende der großzügigen Treppe angelangt und in den Saal gewendet, überrascht den Besucher ein dünnbeiniges Karée in der Ferne, das mit metallisch glänzendem Tischtuch geheimnisvoll zum Nähertreten in den unteren Teil des Raumes lockt. Nähergekommen, stellt man allerdings fest, daß man zwar zu Tisch gebeten wird, zur echten Teilnahme an der Tischgesellschaft aber keine Möglichkeit besteht. Nicht nur bildet das schmale Band des Tisches, das fast einem Laufsteg ähnelt, tatsächlich ein geschlossenes Viereck, in das hinein zu treten nicht möglich ist. Nein auch Sitzgelegenheiten, um es sich an dieser „Tafel“ bequem zu machen, fehlen ! Und weiter: Trotz zahllos anmutender Teller die nur so auf etwas zu warten scheinen, sind keine Bestecke und vor allem keine Speisen in Sicht , die hier auf ein wirkliches Gastgelage hinweisen.

Statt dessen, erkennt man zunehmend befremdet, daß auf den weißen Porzellangedecken schwarze Schriften unterschiedlicher Größe, übrigens zumeist in Deutsch aufgebracht sind, einige wenige auch auf englisch oder französisch oder latein. Aber gerade die fremdsprachigen Worte helfen, wenn es daran geht das Vorgefundene einzuordnen: Man kennt sie als Zitate oder Fetzen von Spruchweisheiten, wie sie im allgemeinen deutschen Sprachschatz, in der Werbung, in der Sprache von Wirtschaft, Kultur und Kirche zu finden sind. Im Bemühen dem Inhaltlichen auf die Spur zu kommen, wird man bald zu der Erkenntnis kommen, daß wohl die Mischung und Vielfalt der angesprochenen Themen und Problematiken die Aussage dieses „Mis-en-Place“ sein muß. Wie bei so vielen Ansätzen zur Kommunikation scheint sich eher ein Nebeneinander oder Aneinandervorbei als ein Miteinander darzustellen. Claudia Schöner selbst spricht bei dieser Arbeit von einem offenen Ansatz, dem eine gewisse Prozeßhaftigkeit innewohnt. Je nach Lauf der Zeit, ändert und ergänzt sie die Teller um Neues oder läßt ihr weniger Wichtiges weg. Daß auch hier, ganz ähnlich wie in der gesamten Ausstellung das jeweilige Umfeld eine Rolle spielt , weshalb ja auf gewisse Besonderheiten der Örtlichkeiten hingewiesen wurde, steht quasi schwarz auf weiß vor uns: Eine scheinbar nichtssagende oder gemeingültige Aussage kann durch die beiden neben sie plazierten zu unvermuteter Spannung aufgeladen werden. Ganz wichtig hierbei: Die „Zutaten“ die jeder Betrachter oder jede Betrachterin als weitere Komponenten noch obendrein mitbringt, geben dieser aufgetischten Kost erst die spezielle Würze! Daß, die verheißungsvolle Tischwäsche letztlich aus schwerem und hochgiftigem Blei ist, nimmt man inzwischen ohne Verwunderung hin, ahnte man doch, daß es mit dieser Arbeit etwas unterschwellig Eigenartiges auf sich hat. Claudia Schöners Arbeiten nehmen oftmals von Worten, Redewendungen und Aussprüchen ihren Ausgang. Der aufliegende Katalog, bzw. die Titel zu den jeweiligen darin abgebildeten Werken, geben davon Zeugnis. Die große Installation, die 2001 zum ersten Mal gezeigt wurde und die als „Abend-Mahl“ bezeichnet, zwar eine bestimmte Fährte in der Deutung vorgibt, sich längst aber nicht allein auf die christlich – kulturelle Schiene festlegen läßt, wiegt für sich betrachtet in dieser Ausstellung sicher am schwersten.

Doch auch Claudia Schöner, die ungemein phantasievoll und auf Grund ihrer tiefen Neigung zur spontanen Kreativität alles zur Kunst werden läßt was ihr durch die Hände geht, ist es ein Anliegen in der Ausstellung „Tafelbilder“ Kostproben ihres Verständnisses von Bildtafeln zu vorzustellen. Und damit ziehen wir uns wieder in die unteren Gefilde zurück: Nicht ohne Witz – ein gewisses Augenzwinkern das schon einmal bis ins Zynische gleiten kann, ist bei Schöners Arbeiten nicht nur häufig zu entdecken, sondern fast zwingend zu vermuten – hängt sie die „Tafelbilder“ ihrer Auffassung in die vorgegebene Ausstellungssituation. So sprechen die mit Kupfergittern umhüllten Holzplatten ohne Titel, sowie die Kupferdrähte auf Papier in Plexiglashüllen namens „Spannungen“ durchaus von den den Arbeiten innewohnenden formalen Problemen. Die Wirkung durch die alles andere als üblichen Materialien zur Bilderherstellung beschränkt sich aber keineswegs darauf, sondern schwingt mit den Gittern der Heizkörperverkleidungen, den Schlitzen der Lüftungsblenden, den quaderförmigen Möbelstücken, dem Weiß der Wände …

Nach all diese Ausführungen überlasse ich Sie jetzt wieder sich selbst, gebe Ihnen aber noch eine Aufgabe mit: Vielleicht finden Sie ja eine Antwort auf die in zeitgenössischen Kunstdebatten vieldiskutierte Frage, die mit Verlaub auch schon wieder seit mindestens 20 Jahren gestellt oder eben schon wieder nicht mehr gestellt wird, ob nämlich die „Malerei“, also auch die „Tafelmalerei“ am Sterben und/ oder noch von Bedeutung sei. Ein ausgiebiger Rundgang durch die Ausstellung „Tafelbilder“ von Claudia Schöner und Petra Naumann kann Ihnen hinsichtlich der Beantwortung nur dienlich sein.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Zu den grafischen Arbeiten von Petra Naumann:
Aus der Serie „Formen und Muster – Tisch und Stuhl“

Mit der Mischtechnik, einer Arbeitsweise, die Petra Naumann, neben ihrer malerischen Tätigkeit – oder besser aus ihr heraus -für sich präferiert, erweitert sie ihr gestalterisches Vokabular entscheidend. Wie in den Bildern, führt der gestische Ausdruck auch in den Collagen zu einer Konstellation zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen Farbspur und silhouettenhafter Gestalt.

Unter dem Arbeitstitel „Freie Figurationen“ entstehen seit 1993 thematisch gebundene, grafische Arbeiten und Collagen.

Über den Weg der teils heftigen mit Kraft aufgetragenen Bilder, sind die gebauten Collagen erst möglich geworden, in denen die Rauten- und auch die Kreisformen, wie ein Kürzel in der gesetzten Ordnung regelmäßig auftauchen. Die Entwicklung der Flächen, Strukturen und Risse ist ganz eindeutig geprägt von der Beschäftigung mit dem Material und den thematischen Inhalten (wie die Themen „Formen und Muster“, Tisch und Stuhl“ bereits vorgeben, und zwar in einer archaisch suchenden Form. Häufig werden dabei figürliche Konturen überdehnt, fast über den Rand hinaus verlängert und so das Motiv (z. B. Stuhl) verfremdet.

Meist auf Papier entstehen Arbeiten aus mehreren Schichten gefügt – Vorstellungsbilder könnte man sagen, die im Material eingefangen sind. Papierfetzen volle Gebrauchsspuren, auch Kartons werden zerrissen, verleimt, überklebt, bemalt und auch zerkratzt. In gestischer und zugleich lyrischer Bildsprache entsteht so ein Geflecht, das die fragmentierten Versatzstücke, die Pinselstriche und Übermalungen in eine konzentrierte Form überführt. Auf diese Weise avanciert das verwendete Material zum eigentlichen Bildträger. Im Prozeß der permantenten Veränderung, der Verfremdung und der Reduktion der inspirierenden Anleihen (wie Muster und Formen) entstehen Bilder von zugespitzter Empfindung mit Kalkül. Entsprechend ist auch der Bildaufbau; entgegen der mathematischen Fixierung der Mitte, problematisieren viele der Collagen von Petra Naumann das Gleichgewicht der Bildelemente. Dieses Ausloten der Bildelemente führt unversehens zu einer Bindung im kompositionellen Aufbau, die den Bildrand in seiner Verletzlichkeit miteinbezieht: mal wächst das Motiv ganz an den oberen Bildrand, mal will es fast aus dem unteren heraustreten.

Da Petra Naumann ihre Ideen gern farbig oder formal variiert, entstehen immer Gruppen oder Serien. Darüber hinaus lassen sich aus ihren Arbeiten auch Stimmungsphasen ablesen; einer hellen Palette folgen dichte, durchdrungene oder sehr dunkle Farbtöne. Freilich spielen rationale Momente latent eine Rolle. Trotzdem bleibt das Konzept, die künstlerische Umsetzung und Arbeitsweiseoffen für Improvisation und Spontaneität. Und die letztendlich gefundene Formulierung ist nicht Dokumentation eines künstlerischen Verfahrens, sondern Ergebnis eines Wechselspiels: spontan geschaffene Formen folgen genau kalkulierten Setzungen, dem Gebauten auch dem erdachten Linienzug widersetzt sich die gestische Handschrift. Dabei ist die bestimmende Richtschnur Schaffensprozeß der Künstlerin das abwechslungsreiche Kräftespiel von Bewegung und Statik, von Fläche und Linie, Farbe und Material in der Gleichgewicht zu halten. Damit befindet sich Petra Naumann auf ihre sehr eigene Weise aber durchaus in der Tradition zwischen konkreter und lyrischer Abstarktion.

Petra Weigle, Nürnberg 1996

Tortengenuss ohne Reue

Eröffnungsrede zur Ausstellung „Buntstücke“ von Petra Naumann
in den Räumen von Körner & Scherzer, Nürnberg, Mai 2004

Sehr geehrte Damen und Herren,
geschätzte Gastgeber, liebe Kunstfreunde,

aus Stein bei Nürnberg kommen nicht nur die weltberühmten Bleistifte mit dem gräflichen Namen – sondern auch die Künstlerin des heutigen Abends, Petra Naumann, und ihre Arbeiten, die „Buntstücke“. Um es gleich vorweg zu nehmen: es überwiegen die Unterschiede. So ein Bleistift gibt immer nur Graustufen von sich, da kann man drücken so viel man will – Petra Naumann drückt sich lieber in Farbe aus, mit scheinbarer Leichtigkeit, dabei hoch expressiv. Und wenn sich so eine Farbexplosion auf einem Buntstück erst zugetragen hat, dann lässt sie sich auch nicht so leicht wieder ausradieren.

Selbstverständlich ist ihr der Bleistift als Instrument, als Zeichenutensil geläufig, zumal für das Skizzenbuch, wenn es darum geht, spontane Gedanken und Bildideen festzuhalten. Aber ihr Herz schlägt für die Leinwand, ich möchte sagen: fallweise auf der Leinwand. Folgerichtig ist die bevorzugte Farbwelt der Künstlerin das Rot der Leidenschaft. Und dann gibt es noch zwei weitere Materialien, die sie immer wieder aufgreift und zu farbenfrohem Ausdruck bringt: das klassische Medium Papier – wenn auch in unkonventioneller Form – und den modernen Werkstoff Acryl.

Wenn man nun beim ersten Blick auf die Arbeiten nach einer schnellen Etikettierung sucht, könnte man vielleicht sagen: „na ja, abstrakte Malerei.“ Sind Petra Naumanns Arbeiten abstrakt? – Hier erlaube ich mir eine subjektive Antwort von „philosophischer Trag-weite“: Ja und Nein. Ja, weil sie ohne gegenständlichen, naturalistischen Kontext durchaus funktionieren – nein, weil sie sehr wohl von Beschäftigung mit Natur, von genauer Naturbeobachtung ausgehen.

Natur ist, wie das Leben auf dem Lande, eine feste Bezugsgröße im Koordinatensystem der Künstlerin. Es bedarf keiner exotischen Stimulantien, auch wenn sie die Meere mit ihren Strandgütern liebt und den brasilianischen Urwald mit seinen Heimlichkeiten und Unheimlichkeiten faszinierend findet. Es genügt der Lieblingsblick auf die Trauerweide vor dem Wohnzimmerfenster, im Wechsel des Lichts, im Wechsel der Jahreszeiten. Der sprichwörtliche zweite Blick, das wiederholte Hinschauen, das tiefere Hineinschauen.

Gewiss: Malen nach der Natur ist etwas anderes, führt zu anderen Ergebnissen, zu objektiveren Abbildungen. Petra Naumann ist nicht an detailgetreuen Wiedergaben von Oberflächen interessiert – sie entlehnt organischen Strukturen grafische Formen. Beispiel: Astwerk, Wiesengras, Blütenformen. Sie übernimmt das Wesentliche, sozusagen den Duktus der Natur, setzt ihn mit ersten Pinselstrichen auf die Malfläche. Und dann beginnt eine geheimnisvolle und doch völlig selbstverständliche Verwandlung: Das Geäst ist nicht mehr Geäst, die Rose nicht mehr Rose sondern: Pigment auf Leinwand. Und Pigment auf Leinwand folgt nicht mehr biologischen, auch nicht fotografischen Gesetzen sondern formal-gestalterischen. Linie verlangt nach Gegenlinie, ein Linienbündel nach freier Fläche, ein dunkles Linienknäuel nach aufhellenden Farben. Ein wildes Spiel beginnt!

Petra Naumanns Kunst besteht nach meiner Überzeugung darin, mit einem festen Plan anzufangen, um nach dem zweiten Schritt, im entscheidenden Augenblick sich auf dieses Spiel einzulassen. Es ist kein leichtfertiges Spiel. Was harmlos anfängt, kann sich alsbald zu einem handfesten Kampf auswachsen. Verstehen Sie das bitte wörtlich! Ich durfte Petra Naumann im Sommer letzten Jahres für ein paar Tage bei der Arbeit beobachten. Die Frühaufsteherin ist ab spätestens acht Uhr zu Gange – und das mit vollem Körpereinsatz. Da wird gestrichen, geschabt, gespachtelt, gekratzt, gewischt, gewalzt, wieder abgenommen, überdeckt, an anderer Stelle wieder aufgetragen. Mit allen möglichen Stiften, Pinseln, Hölzern, Kreiden, Schwämmen, mitunter mit bloßen Händen. Es ist die schiere Lust an der Bewegung, die Hingabe an das Material. Dann die Zäsur: der Abstand, der prüfende Blick, der Zweifel, das Abwägen. Die Fläche hat den Kampf aufgenommen. Sie fordert heraus, will bewältigt sein. Petra Naumann gibt nicht klein bei. Sie dreht das Radio auf. Südamerikanische Rhythmen erschüttern den Raum und feuern die Arbeitende an. Zwei neue Farbdosen werden geöffnet, ein widerspenstiger Klecks verschwindet unter resoluten Pinselstrichen, neue Motive tauchen auf, zaghaft, werden verändert, verstärkt, ausgeweitet, wieder reduziert, … etc. So entstehen Schicht um Schicht um Schicht. Die Elemente tanzen dabei nicht nur auf einer Fläche. Die Künstlerin hat mehrere Leinwände im Blick und simultan in Arbeit. So entstehen sich ergänzende oder kontrastierende Tafeln, Paare und Gruppen – verwandt durch ähnliche Motive und Farbspuren.

Soweit das Thema Farbe auf Leinwand, wie Sie es heute besonders auf den großen mehrteiligen Tafeln und den kleinen Buntstücken sehen können. Aus der flächigen Malerei lösen sich die Collagen schon zaghaft ins Dreidimensionale heraus – in einem der Büroräume sehen wir sehr schöne Beispiele aus der Reihe „Tische und Stühle“ (wobei ich nicht die Möblierung meine, auch nicht die dort angerichteten feinen Platten!) Petra Naumanns Auseinandersetzung mit dem Material Papier bleibt nicht auf halbem Wege stehen sondern treibt im Wortsinne die schönsten Blüten mit ihren Objekten aus Papprohren. Dieses eher unscheinbare, spröde Wegwerfmaterial verwandelt sie mit Säge und Tauchbad in zarte, poetische, schwebende Gebilde: in „Ovale“ und „Maßwerk“. Ein relativ neuer Werkstoff ist das Acrylglas, für das die Künstlerin eine spezielle Technik der Hinterglasmalerei entwickelt hat. Hier spielt sie auch mit dem Thema „Heimat – Ferne“ in Form der Farbwelten rot – türkis und schafft nebenbei einen äußerst reizvollen Kontrast aus Hightech-Material und Naturdarstellung (Rosenbilder!)

Die verschiedenen Techniken bestimmen zwar Arbeitsphasen, stehen aber nicht isoliert nebeneinander. Was sie verbindet, ist die Sprache der floralen Motive, der gemeinsame Farbraum, die simultane, prozesshafte Arbeitsweise.

Bei all der Arbeitswut und Arbeitsfreude stellt sich mir doch irgendwann die Frage: „Wann ist denn so ein Bild, so ein Objekt, eigentlich fertig?“ Es ist klar, dass es darauf keine pauschale Antwort geben kann. Petra Naumann meint, ihr untrügliches Zeichen für eine fertige gute Arbeit sei so etwas wie der „überspringende Funke“, ein Gefühl „etwa so wie Verliebtheit“. Wir sehen heute Abend, Petra Naumann muss in letzter Zeit sehr oft sehr verliebt gewesen sein!

Ich habe vorher noch Petra Naumann zwei sehr persönliche Dinge gefragt. 

1.) Was wäre sie geworden wenn sie nicht Künstlerin geworden wäre? – Diese Frage konnte sie mit einem entwaffnenden „Nichts anderes!“ ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Dazu meinen spontanen Glückwunsch! Ich finde, es ist ein wunderbares Glück, wenn jemand so deutlich seinen Weg gefunden hat – und ihn weiter gehen wird.
Sodann 2.) die noch intimere Frage: Was ist ihr Leibgericht? – Getreu dem Claude Monet zugeschriebenen Motto „Ein guter Maler ist auch ein guter Koch“ könnte es doch sein, dass Petra Naumann besondere Delikatessen auf den Tisch zaubert. Diese Frage beantwortete sie ausweichend. Sie meinte, sie sei viel zu faul um zu kochen – dafür hätte sie ja schließlich ihren Mann.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich enden. Ich wünsche ganz eigennützig, dass es auch in Zukunft dabei bleiben möge: Herr Naumann möge für die Künstlerin kochen – Petra Naumann möge uns weiterhin mit ihren köstlichen Buntstücken erfreuen – mitunter sind ja auch einige kalorienfreie Tortenstücke dabei. In diesem Sinne: viel Freude beim anschließenden Kunstgenuss! – Vielen Dank.

Peter Winkler, Nürnberg 2004

Sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Kunstfreunde,

diejenigen unter Ihnen, die zuweilen auf eine Ausstellungseröffnung gehen, wissen, dass die Redner, die zu den Arbeiten der Künstler sprechen, es nicht immer leicht haben. Sie müssen gewisser Maßen einen sprachlichen Spagat ausüben: Einerseits soll die Rede gehaltvoll, kompetent und nicht zu philosophisch verstiegen sein, sie soll in verständlichen Worten das Charakteristikum der künstlerischen Arbeit vorstellen und darf aber vor allem eines nicht: sie darf nicht zu lang oder zu elaboriert sein.

Vorab wurde mir signalisiert, dass meine Rede nicht länger als fünf Minuten sein soll. Ich werde mich zwar kurz fassen, aber ob ich dies Ziel ganz erreiche, kann ich nicht versprechen, denn es gibt doch einige wichtige Dinge zu sagen.

Ich werde versuchen, die Kürze der Zeit zu nutzen, um die markantesten Merkmale der künstlerischen Arbeit von Petra Naumann heraus zu arbeiten und Ihnen meine Gedanken darüber vorstellen. Es wäre schön, wenn wir anschließend in einen Dialog darüber eintreten würden.

Doch zunächst begrüße ich die anwesende Künstlerin Petra Naumann ganz besonders herzlich.
Sie hat diesen Räumen für die Dauer von 8 Wochen mit ihren Werken eine ganz persönliche Note gegeben.
Persönlich zuerst deshalb, weil es eine Einzelausstellung ist, die jedoch aufgrund der vielfältigen von ihr verwendeten Artikulationsmittel den Betrachter zu ständigen Blick- und Perspektivwechseln animiert.
Ihre Zeichnungen, Wandarbeiten, Objekte und Installationen verwandeln diese Räumlichkeit zu einem spannungsvollen Erlebnisraum. Es ist eine Einladung an den Betrachter, sich verschiedenen Dimensionen und Materialsprachen hinzugeben.

Die Flächen des Raums
Petra Naumann greift in die vorfindliche Architektur durch Hängung und Positionierung ihrer Werke ganz entschieden ein. Manche Einzelwerke finden heute in ihrer Kombination des Neben- und Zueinander zu mehrdeutigen Ausdrucksformen. Sie laden den Betrachter sowohl zur intimen Schau wie zur komplexen Betrachtung der Gesamtpräsentation ein. Aus diesen Wechselwirkungen ergeben sich faszinierende Betrachtungsweisen.
Ich danke deshalb der Künstlerin für die Arbeit dieser besonders gelungenen Präsentation.

I. Wirkungskreis
Die Künstlerin Petra Naumann ist in unserer Region keine Unbekannte. Neben ihren Ausstellungen in renommierten Häusern in Nürnberg, Zirndorf und Fürth, erreichten ihre weiteren Stationen eine beachtliche Dimension: Während sie im Inland vornehmlich in süddeutschen Städten ausstellte, reichten ihre Ausstellungen im Ausland bis Paris, Athen und Fonarto/Sao Paulo in Brasilien.

In ihrer großen Retrospektive in München, in den Räumen der Bayern LB, zeigte sie im Jahr 2006 ihr umfassendes Schaffenswerk der letzten 20 Jahre.

Dem gegenüber ist ihre heutige Ausstellung, allein schon wegen der begrenzten Ausstellungsfläche, natürlich kleiner und auf das jüngste Werk eingegrenzt.

Petra Naumann verzichtet in der heutigen Ausstellung ganz auf ihr malerisches Werk.
Zu sehen sind vornehmlich vier Werkgruppen, auf die ich gleich näher eingehen möchte:
1. Maßwerk
2. Astwerk
3. Wandarbeiten – Mischtechnik Pappe – Gips
4. Mischtechnik: Fotografie – Zeichnung – Plexiglas
Anhand der vier Werkgruppen wird offenbar, dass Petra Naumann eine Grenzgängerin zwischen den Formsprachen ist. Das heißt, sie ist nicht festgelegt auf ein künstlerisches Metier: Nicht auf Zeichnung, Malerei, Collage, Bildhauerei, Rauminstallation.
Nein, im Gegenteil, sie mischt auf ihre ganz eigene Weise Zeichnung und Plastik, Farbform-Kompositionen und räumliche Inszenierung.
Ihre künstlerischen Artikulationswege lassen sich nicht in kunsthistorisch begriffliche Schubladen stecken – und das ist erfrischend und avantgardistisch zugleich.

II. Biographisches
Einige, wenige Stationen ihres Lebens seien skizziert.
Aufgewachsen in einem elterlichen Umfeld, in dem Kunst immer eine große Rolle spielte, war schon früh eine Faszination für das Gestalterische bei der Künstlerin gereift. Der malende Vater war Inspirationsquell und brachte eine kreative Atmosphäre in das Elternhaus, welche bei der Aufwachsenden merklich Spuren hinterließ. Auch wenn ihr „die Malerei“, wie sie selbst sagt, „allein nie genügt hätte“, war durch diese Kindheitserfahrung der Freiraum des Schöpferischen unmittelbar spürbar und erlebbar.
Die Künstlerin, Jahrgang 1950 (geb. in Limbach/Oberfrohna), studierte an der Europäischen Akademie für bildende Kunst in Trier und besuchte die Sommerakademie in Salzburg.
Seit 1986, also seit nunmehr 22 Jahren ist sie freischaffend tätig. Ihr Leben am Rande der Großstadt, nahe der Natur, hat ihren Blick für die Abläufe des Natürlichen unter den wechselnden Jahreszeiten geschärft. Die Natur ist für sie Inspirationsquell und Dialogpartner zugleich. Prof. Hanns Herpich, Textilkünstler und ehem. Präsident der Nürnberger Kunstakademie, unterstrich in einer Charakterisierung die Arbeitsweise von Petra Naumann auf eindrückliche Weise: Das Schaffen von Petra Naumann sei der Natur analog. Der Gestaltungsprinzip der Natur spiegelt sich in ihrer Kunst wieder.
Zitat:
„Wenn Petra Naumann also an den Beginn ihrer künstlerischen Arbeit den bewussten Zerfallsprozess des gebundenen Materials setzt, um danach mit der Arbeit zu beginnen, so ist darin ein analoger Vorgang zu erkennen, der dem Prinzip des permanenten Zerfallens und Werdens in der Natur entspricht.“

Der schöne Ausstellungstitel NATÜRLICH KÜNSTLICH, der der hiesigen Ausstellung überschrieben ist, unterstreicht diese Verwandtschaft im Schöpfungsprinzip.

Als ich Petra Naumann in einem Vorgespräch fragte, ob Sie eine künstlerische Philosophie verfolge, überlegt sie nur einen Moment und antwortet mit einem genauso einfach anmutenden, wie frappierendem Satz, den man als Credo über ihre ganze Kunstproduktion legen könnte:
Sie sagt: „Die Faszination gilt dem Suchen, Entdecken und Finden.“ Jenes Motto finde ich auch als Vorsatz in Ihrem Katalog.
Vielleicht ist es für einen Künstler immer schwierig Auskunft über das eigene Tun zu geben, aber Petra Naumann hat tatsächlich mit diesem sehr emotionalen Satz ihren künstlerischen Impuls auf recht nachvollziehbare Weise beschrieben.
Das lässt mich übergehen zu ihrer….

III. Werkmethodik

In Petra Naumanns Werkmethodik, dem Suchen und Finden, stecken Elemente wie Offenheit für Neues, Entdeckerfreude, Sensibilität für die Eigendynamik und Eigengesetzlichkeit von miteinander agierenden Werkstoffen. Entscheidungsfreudigkeit und Flexibilität sind gefragt, wenn überraschende Resultate im Werkprozess neue Formartikulation möglich machen.
Was meiner Ansicht nach bei der Künstlerin als Profession zu Tage tritt, ist der ungestillte Antrieb sich Ungeahntem und Ungeplantem zu stellen.
Dieses „Atelier- oder nennen wir es „Alltags-Abenteuer, verlangt nach der Kraft auch das Scheitern auszuhalten und mit ihm umgehen zu lernen.
Es schließt ein: Auch den Mut und die Kraft aufzubringen immer wieder neu und von vorne beginnen zu wollen.
Dahinter steckt bei ihr kein äußerer Zwang. Aber wer diese Kompetenz bei der Betrachtung der Arbeiten von Petra Naumann übersieht, sieht vielleicht auch nicht die Geschicke ihrer formalen Ergebnisse und ihrer damit einhergehenden Aussagen.
Der dem Produktionsprozess abgerungene Weg der Formfindung, Formbildung und Überformung steht als ständiges Thema über den Arbeiten.
In dieser geistigen Freiheit und diesem Willen zur Neu-Artikulation des bereits Gefundenen steckt eine ganz individuelle „Kunst-Geschichte“.
Petra Naumanns heute präsentierte Werkvorstellung macht es dem Betrachter etwas leichter das Verkettungsprinzip ihres Schaffensprozesses nachzuerleben.
Denn, wenngleich viele Arbeiten nicht als serielle Arbeite vorgestellt werden, zeigen sie doch einen inneren Zusammenhang. Man könnte auch wenig pathetisch von einer Schöpfungsgeschichte sprechen, die sich in den Folgearbeiten eines Prototyps bei ihr, unter Ihren Händen, fortentwickelt.
Und damit komme ich zum

IV. Werkverständnis
Der Ausstellungstitel „Natürlich – Künstlich“ deutet es in der Vielfalt seiner Sinnhaftigkeit an: Natürlich-Künstlich ist nicht nur als Gegensatz begrifflich zu verstehen. Dort die Natur – hier die Kunst.
Und nicht alles Künstliche ist gleich schon Kunst. Nein, die Schöpfungskräfte der Natur spielen gleichnishaft in die Werkprozesse des Künstlers hinein. So wie es der Bauhausmeister Paul Klee einst sehr schön formulierte: »Die Zwiesprache mit der Natur bleibt für den Künstler conditio sine qua non. Der Künstler ist Mensch, selber Natur und ein Stück Natur im Raume der Natur.«
Paul Klees berühmtes Diktum stellt den Menschen nicht über die Natur, sondern in die Natur und betont die notwendige Einheit.
Der bildende Künstler formuliert den Brückschlag zwischen äußerer Natur und innerer Schöpfungskraft. Er eifert der erfinderischen Natur nach, indem er selbst Variable und Möglichkeiten auslotet und so das „Gebiet des Möglichen“, um weitere Formsprachen erweitert und erforscht.
So wie sich die Natur manchmal Wege schafft, die die Vorstellungskraft des Menschen übersteigen, schafft der Künstler neue Formsprachen, die aus dem gängigen Muster des Artifiziellen heraus fallen.

Manche Betrachter scheinen dann mit den Ergebnissen dieser Kunstsprachen überfordert zu sein und suchen einen rettenden Anker: Petra Naumanns Erfahrung trifft sich in dieser Hinsicht mit der meinigen. Manche Betrachter interessieren sich beim Betrachten eines Werkes mehr für das technische Verstehen als für die Aussage und Wirkung des Werkes auf sie selbst.
Eine lapidare Frage lautet dann: „Wie ist das gemacht?“ „Wie haben Sie das denn auf diese Weise umgesetzt?“
Wenn es manchmal „nur“ bei diesen Fragen bleibt, kann das ernüchternd wirken.

V. Ausgestellte Werkgruppen

Petra Naumanns Wandarbeiten, die hier als Mischtechnik der verwendeten Materialien „Pappe und Gips“ zu betrachten sind, fallen zunächst durch die Reduktion ihrer Elemente auf.
Die eigentümliche Verformung von Pappröhren durch Feuchtigkeit, Druck und Temperatur, brachte ein breites Arsenal an Möglichkeiten hervor, das sich Petra Naumann zu nutze machte, um neue Artikulationen für ihre nun wachsende Objektfamilie zu finden.
Die wie an eine mittelalterliche Maßwerkform erinnernden, aufblühenden Formen, die uns aus dem Steinmetzvokabular bekannt sind, gaben den ersten Objekten ihren Namen. Eigentlich ist die Bezeichnung >Maßwerk< irreführend, denn ein Charakteristikum des „Maßwerks“ ist die strenge geometrische Form, eine Ausgewogenheit in Proportion, Oberflächendichte, Zentriertheit und harmonischem Gerüst.
Petra Naumann stellt den naturnahen Vorgang des Wirkens von Kräften und Gegenkräften vor. Pappverbund/Textur, Leim und Flüssigkeit. Sie dekliniert die möglichen formalen Lösungen, indem sie uns Ergebnisse ihres Durchforschens zeigt. Durch Bemalung der Maßwerke entmaterialisierte und abstrahierte sie diese.

Bei den Papp-Gipsarbeiten gewinnt der Dialog zwischen eingeschlossenem Körper und umfangenerer Materie an Bedeutung. An der Oberfläche zeigt der Pappkörper nur noch die Anmutung einer Masse. Seine Tendenz ist die des „Sichverflüchtigens“, und zwar hin zur Zeichnung, zur Parallellinie und zur eingeschlossenen Figur.

In der Fortentwicklung, auch werkstattgeschichtlich gesehen, zeigt Petra Naumann die Fortführung dieser Wandarbeiten bei der der schützende, glatte Mantel der Gipsblöcke aufbricht und so schroffe, schrundige und krude Oberflächen zu einer weiteren Formsprache hinzunimmt.
Gegenüber den beinahe lupenrein gegossenen Gipsformen sprechen die schroffen, aufbrechenden Gipsformationen eine deutlich aggressivere Sprache, deren Wirkung der Betrachter nun Stück für Stück nachempfinden kann.

Astwerk
Die aus Naturbegegnung, gestischem Zeichnen und Materialexperiment hervor gegangenen Objekte mit dem Titel „Astwerk“, zeigen Formverwandtschaft und individuelle Gestalt zugleich.
So wie jeder Baum verschiedene Äste und Zweige bildet, ist hier jedes Objekt einzig und als Linienverbund eine Insel auf der Trägerwand.
Silhouettenhaft wird das Motiv der Baumverästelung in die Fläche gedrängt und neu gewichtet.
Als Rauminstallation gewinnen die „Astwerk-Inseln“ eine raumgreifende Kraft, die im Innenraum – Schwarz auf Weiß – eine Faszination ganz eigener Natur entfalten.

Plexiglas – Zeichnung – Fotografie
Die Mischtechnik-Serien mit der Kombination aus Zeichnung, Fotografie und Plexiglas, setzt Petra Naumann als Inszenierung in besonders vielschichtiger Form ein. Es ist ein Spiel mit Nähe und Ferne, mit dem Pflanzlichen als Gattung und Symbol, mit der Zeichnung als Reproduktion und individueller Betrachtung.
Die wechselweise entstehende Verweisungszusammenhang all dieser Komponenten sind allerdings zu komplex, um hier eingehend erläutert werden zu können. (Die „Rose“ als globales bedeutungsgeladenes Symbol in der Natur, und aller Kulturen.)

In einem Prinzip bleibt sich aber Petra Naumann auch hier treu:
Sie experimentiert auch hier mit der Vielfalt der vorhandenen Komponenten und wählt durch sensibles Agieren emotionsbetonte Werke zutage, die nicht nur unser Kunst-erleben, sondern unser Sehen und unser Erleben insgesamt bereichern.

Für die Kraft, uns in neue Räume zu versetzen, uns in neue Geschehnisse einzubinden, sei Petra Naumann herzlich gedankt.
Vor allen Dingen aber danke ich Ihnen, sehr verehrtes Publikum für Ihr Interesse und ihre Neugier auf die hier ausgestellten Werke zuzugehen.
Ich beglückwünsche den Kunstverein Zirndorf zu dieser Ausstellung!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und interessante Gespräche.

G. v. Matuschka
Oktober 2008

© für den Text, es gilt das gesprochene Wort.

Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Neighborhood“ von Petra Naumann und Gisela Hoffmann in der Galerie Destillarta am 22.09.2013


Wenn man zwei Künstlerinnen zugleich präsentiert, stellt sich unmittelbar die Frage nach der Gemeinsamkeit, nach dem „Dach“, das sich über die unterschiedlichen Arbeiten und unterschiedlichen Personen wölbt. Der Titel „Neighborhood“ verweist auf mehrere Nachbarschaften, die hier prägend sein können: Da sind zunächst die Wohnorte: Gisela Hoffmann hat nach dem Studium der Kunstgeschichte in Erlangen, Praktikum in der Werkbund-Werkstatt Nürnberg und ihrem Studium an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg ihren Wohnort wieder in Roßtal gefunden. Petra Naumann, die an der Europäischen Akademie für Kunst in Trier und der Sommerakademie in Salzburg studiert hat, arbeitet als freischaffende Künstlerin in Stein. Die Wohnortnähe beider führte dazu, dass sich beide auch seit langem kennen, so dass es fast zwangsläufig ist, dass sie ihre Werke nun auch gemeinsam hier präsentieren.

Es gibt aber auch eine thematische Nachbarschaft zwischen beiden:
Es geht um die Linie als Thema.

Eine Linie scheint etwas Einfaches zu sei: Man macht einen Strich aufs Papier, und schon hat man sie. Schaut man aber etwas genauer hin, so erweist sich die Linie als etwas sehr Differenziertes, als ein Träger ganz unterschiedlicher Funktionen. Eine Linie kann Trennung markieren; sie teilt in rechts und links, in oben und unten, sie separiert und weist unter-schiedliche Plätze und Räume zu.  Weil aber die unterschiedlichen Flächen genau an dieser Linie aufeinander stoßen und sich zumindest fast an dem dimensionslosen Gebilde berühren, ist die Linie auch zugleich ein Mittel der Verbindung. Fügt man der Linie einen Pfeil hinzu wird aus Trennung und Verbindung eine Bewegung, eine Richtungsangabe, eine: „Entwicklungslinie“. Pfeile werden wir in dieser Ausstellung nicht sehen, Entwicklungslinien allerdings durchaus. Auch die Form der Linie kann unterschiedlich sein: Sie kann gerade sein und damit klare Gliederungen bewirken; sie kann geschwungen sein, ornamental, Bilder umreißen und damit an das Gegenständliche rühren. Die Linie kann Träger von Farbe sein, sich damit fast schon ins Gegenständliche transponieren, Aufmerksamkeit jedenfalls erwecken für sich selbst, nicht nur für die Flächen die sie trennt oder verbindet. Die Linie kann Rahmen sein für Flächen, Räume oder ganze Bilder, von den Höhlenmalereien über Strichmännchen bis zu Flächen und Räumen, die erst durch das Bestehen der Linie definiert werden. 

Linien als zweidimensionale Objekte kommen in unserer dreidimensionalen Welt eigentlich gar nicht vor. Sie lassen sich natürlich erhöhen, zu Bändern weiter entwickeln die Räume trennen können und Botschaften vermitteln. Bei Gisela Hoffmann werden wir Etliches davon sehen. Aber gerade weil die Linie eigentlich nicht vorkommt und dennoch wirksam wird für die Existenz von Flächen und Räumen, ist die Linie Ausdruck von Abstraktionsfähigkeit und damit von einer höheren Entwicklungsstufe. Sie kann Gegenstände bezeichnen, gegenständliche Kunst entfalten, wie bei den Objekten von Petra Naumann.

Sie kann als abstrakte Kunst daherkommen, weil sie von den Gegenständen sich fort entwi-ckelt zur gestalteten Form. Auch das können wir bei den Arbeiten von Petra Naumann besonders gut sehen.

Und sie kann als konkrete Kunst sich darstellen, als Kunst, die nicht mehr nur „abstrakt“ ist, da sie nicht mehr in der Natur vorhandene Gegenstände abstrahiert, sondern im Gegenteil etwas Geistiges materialisiert in Fläche und Raum, wie wir es vor allem bei den Arbeiten von Gisela Hoffmann sehen. Damit stellt sich allerdings die Frage nach dem Material.

Gisela Hoffmann hat bei Stefan Eusemann und Hanns Herpich Textiles Arbeiten studiert. Das ist nicht erstaunlich, da ihr Vater Textilkaufmann war und ihre Mutter Schneiderin. Was Sie heute sehen, hat mit unserer gängigen Vorstellung von textilen Arbeiten jedoch wenig oder nichts zu tun. Sie verweist auf ihre Polyestergewebe und betont den Zusammenhang mit den Textilarbeiten. Viele ihrer Objekte sind aber auch aus Plexiglas gebildet, das sie selbst bearbeitet, mit dem sie den textilen Herkunftsbereich endgültig in Richtung auf neues Material verlassen hat. Der Grund dafür kann zunächst ein praktischer sein: Gisela hat viele Arbeiten im Außenbereich geschaffen, u. a. in München, in Ingolstadt, Freiburg und vielen anderen Städten. Der Außenbereich verlangt stabile Materialien und Plexiglas bietet sich dafür hervorragend an. Aber noch etwas anderes fasziniert sie offenbar mehr: Es ist die Transparenz des Materials, eine Transparenz, die Form und damit auch Begrenzung auflöst, da sie Durchblicke ermöglicht, Durchlässe für das Licht schafft. „Ich mag keine geschlosse-nen Räume. Ich mag Durchblicke“, sagt sie und spricht von Raumlinien, die ihre Arbeiten gliedern und prägen. Es sind neongelbe Gewebe, fluoreszierendes Material, die jedoch vor weißen Wänden ausgestellt werden, ohne Kunstlicht. Gisela Hoffmann verlässt sich auf das Tageslicht, auf ein Licht also, das offen ist für den Wechsel im Tagesverlauf, und das damit trotz der statischen Materialien Bewegung und Veränderung in seine Wirkung einbezieht. Das hat sie schon mit der Scheibe gezeigt, die sie am Museum für konkrete Kunst in Ingol-stadt angebracht hat: Fluoreszierendes Plexiglas, das den Blick zulässt von außen nach in-nen, aber nicht um Bilder zu zeigen, sondern Licht, Farbe und Form. Es sind Arbeitstitel wie „Sichtbar – Unsichtbar“, die dieses Spiel mit der Veränderung, mit der Transparenz, mit der Abgrenzung und Öffnung von Räumen „scheinbar“ sichtbar macht.

Und genau darum geht es ihr: Raumstrukturen wahrnehmbar zu machen, Raum nicht zu nehmen, sondern zu geben und zu schaffen. In ihrem Anschreiben an mich heißt es, sie zei-ge hier „keine großen Installationen, sondern solitäre Arbeiten, stets Raum gebend“. Dieses Räume geben ist ihr wichtig, gerade dort wo die Räume zunächst nicht auffallen, wo die Li-nien, die unterbrochenen Linien, die Begrenzungen zunächst ins Auge fallen, und erst der zweite Blick die Räume wahrnimmt, die sie definieren. Diese Räume sind transparent, sie engen nicht ein, sondern öffnen, weil sie durchbrochen sind, weil sie transparent und licht sind. Es sind Linien, die Räume zeigen oder gar nur andeuten. Seh-Räume, Denk-Räume, Zwischen-Räume („meta-spaces“). Es sind Orte ästhetischer wie reflexiver Freiheit, die uns einen „Einblick“ erlauben, wie auch eine ihrer Arbeiten betitelt ist. 

Petra Naumann kommt „natürlicher“ daher. Sie wohnt an einem Weiher und betont diesen Lebensraum. Sie fühlt und arbeitet Natur nach und Hanns Herpich meint, ihr Schaffen sei „der Natur analog“. 

Petra Naumann ist ein Morgenmensch, Malerin, schon vom malenden Vater her, aber sie kommt – wie sie sagt – „an Grenzen, wo mich das Malen nicht mehr ausfüllt“. Und dann ist die Natur das, was sie nicht nur sieht, was sie nicht nur zu ihren Arbeiten anregt, sondern was sie in ihren Arbeiten gestaltend aufnimmt. „Mit wachem Auge beobachtend, was hinter den Dingen liegt, übersetze ich, was mich umgibt in die Sprache meiner Bilder“. Das können dann „Luststücke“ sein (wie eine ihrer Arbeiten heißt). Häufiger aber ist es einfach die Natur im Wandel. Es sind die Um-Gestaltungsprozesse der Natur, die Petra Naumann faszinieren: Zerfallsprozesse, die nicht am Ende ihrer Arbeit stehen, sondern die sie bewusst an den An-fang ihrer Arbeit setzt. Genau deshalb ist der Zerfall des Materials nicht morbide, sondern eingebunden in den natürlichen Wechsel von Zerfall und anschließendem Werden. Wer mit dem Zerfall beginnt und diesen festhält, hat das Werden als Projekt vor sich: „Ich teile und teile, bis Materie zerfällt. Mein Werk beginnt“.
Es passt dazu, dass etliche Bilder dieser Ausstellung aus ihrer Serie „Zeitlauf“ stammen.
Die Materie, die Petra Naumann beschäftigt, ist vielfältig „Ich bin ein experimenteller Typ“,, sagt sie und meint auch ihre Lust auf immer anderes Material. So entstehen Installationen wie die Elemente aus der „Fundusreihe“ oder die Arbeiten, die hier unter dem Titel „Bewahrt“ zu sehen sind: Organische Materialien, eingebunden in Gips, dort also bewahrt vor der Ver-änderung für die Zukunft, nicht mehr lebendig und gerade deshalb dauerhaft.
So entstehen Collagen, Arbeiten aus Papier und Pappe, Arbeiten auch aus Acrylglas mit Siebdruckfarbe bemalt und Zeichnungen auf Leinwand. All diese Facetten können Sie in dieser Ausstellung sehen. Sie zeigen die Breite, allein der materiellen Basis von Petra Naumanns Arbeiten.
Bei vielen dieser Arbeiten sind die Gegenstände von denen sie ausgeht, die sie ihren Arbei-ten zu Grunde legt, deutlich zu erkennen. Formal lassen sich ihre Äußerungen auf ein Spiel ihrer Linien reduzieren – nicht die strukturierende, konstruktive, auch minimalistische Linie, wie sie Gisela Hoffmann beschäftigt, sondern die gegenstandsbezogene und doch abstra-hierte, ornamentale, expressive Linie, die sie von der Substanz ihrer Gegenstände leiten lässt, sie erkennbar bewahrt, sie aber nicht abbildet, sondern sie in formale Ästhetik auflöst. So sind die Arbeiten von Petra Naumann abstrakt und gegenständlich zugleich.
Diese Ausstellung zeigt die Nachbarschaft von zwei Künstlerinnen und sie ist geprägt von der trennenden, verbindenden, gestaltenden Funktion, die Linien entfalten können. Sie zei-gen Ihnen abstrakte Gegenstände, konkrete Formen und sparsam definierte Räume. Lassen Sie sich auf diese Räume ein. Vielleicht werden Sie sie als Räume der Freiheit erleben. Das wünsche ich Ihnen für Ihre Auseinandersetzung, für Ihr Eintauchen in diese Ausstellung.

© Dr. Dieter Rossmeissl